Hilfe für so viele Menschen: 60 Jahre Evangelische Beratungsstelle in Bonn

Mit einer „Welturaufführung“, großer Wertschätzung von allen Seiten, Musik und Theater feierte die Evangelische Beratungsstelle in Bonn ihr 60-jähriges Jubiläum. In diesen sechs Jahrzehnten haben etwa 100.000 Menschen die Beratungsangebote in Erziehungs-, Jugend-, Partnerschafts- und Lebensfragen genutzt, wie Leiter und Diplom-Psychologe Thomas Dobbek stolz vorrechnete.

Die Bonner Bürgermeisterin Gabi Mayer dankte in ihrem Grußwort „für diese unermüdliche Arbeit“. Hilfs- und Beratungsangebote seien wichtiger denn je. Ohne die Beratungsstelle würde „eine große Lücke in Bonn klaffen“.

Dass Menschen hier Rat und Hilfe finden, gehöre zum ureigensten Angebot der Kirche, unterstrich Christiane Vetter. „Psychologische Beratung ist eine spezifische Form der Seelsorge, beratende Lebenshilfe essentiell für Kirche“, so die theologische Leiterin der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung der Rheinischen Landeskirche. Im Kern gehe es stets darum, „der Krise den Beigeschmack der Katastrophe zu nehmen“. Oder wie es ein 17-jähriger sagte, den Vetter zitierte: „Tolle Kirche ham se hier, darf mein Bruder auch kommen?“

Dank für 60 Jahre psychologische Hilfen: Thomas Dobbek (2.v.r.), Dietmar Pistorius (von links), Claudia Müller-Bück, Almut von Niekerk und Carsten Schleef. (Foto: Uta Garbisch)

Ein Lob auf die Möglichkeit

Die Welturaufführung, wie Pfarrer Carsten Schleef es nannte, war eine gemeinsame Andacht der Superintendent:innen Claudia Müller-Bück, Almut van Niekerk und Dietmar Pistorius. Sie stehen für die drei Kirchenkreise, die die Beratungsstelle in Bonn vor 60 Jahren gemeinsam eröffnet haben und bis heute tragen, also Bad Godesberg-Voreifel, An Sieg und Rhein sowie Bonn. Der von der Beratungsstelle angefragte gemeinsame Auftritt der drei ist also quasi eine „salomonische Lösung“. Denn wer hätte hier wem den Vortritt lassen sollen?

Im Fokus der Andacht stand ein Motiv, das vermutlich in der Beratungsarbeit eine große Rolle spielt: die Möglichkeit: „Menschen sorgen sich vor dem, was alles möglich sein könnte; negative Möglichkeiten machen Angst. Da ist es gut, wenn Beratung die möglichen Schreckensszenarien anbinden kann, an das, was wirklich und realistisch ist.“ Fehlende Möglichkeiten wiederum lähmten. Manchmal sei es Aufgabe der Beratung, sich mit den Ratsuchenden auf die Suche zu begeben, was doch noch möglich sein könnte. So war die Andacht auch ein Lob auf die Möglichkeit, getreu dem Bibelvers: „Alles ist möglich dem Menschen, der glaubt …“ Denn Glaube sieht Möglichkeiten: Von Angenommensein, von Freiheit und Liebe, der Überwindung von Hass. Ähnlich formulierte es auch Rita Birkenbeil. Sie wünscht sich, „dass wir alle Kreise ziehen, die andere einschließen, nicht ausschließen“, so die Vorsitzende des Kuratoriums der Beratungsstelle.

Die Big Five des Grundgesetzes

Die Theaterpädagogische Werkstatt Osnabrück, eine langjährige Kooperationspartnerin der Beratungsstelle, führte ihr Stück „Crossover: Lasst uns froh und bunter sein!“ auf. Es richtet sich an Jugendliche und so wurden die Gäste der Feier kurz selbst zu Jugendlichen. Mit der Frage, „Was ist eigentlich Demokratie?“ widmeten sich die beiden Darsteller den „Big Five“ des Grundgesetzes. Der unterhaltsame Blick auf die ersten Artikel der Verfassung beleuchtete die Themen Toleranz, Diversität und Antirassismus. Für die Musik sorgten Sängerin Valerie Simmonds und Thomas Hödtke an der Gitarre. Und sangen zum Schluss mit allen „Imagine“ von John Lennon.

Jugendliche und junge Erwachsene stets im Blick: Jährlich rund 750 Neuanmeldungen

Heute erreichen die Beratungsstelle jährlich rund 750 Neuanmeldungen. Gut 1.100 Menschen erhalten hier Hilfe. Schwerpunkte liegen in der Beratung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Seit der Pandemie stiegen hier die Anmeldezahlen deutlich, eine Tendenz, die allerdings seit Jahren besteht. Zuletzt wurden die Gruppenangebote stetig ausgebaut, wie zum Thema Trauer für Jugendliche und junge Leute, aber auch für Eltern. Der Kurs „Kinder im Blick“ richtet sich speziell an getrennte Elternteile und wird enorm nachgefragt. Das Angebotsspektrum umfasst zudem Präventionsangebote zum Kindeswohl, Gruppenangebote zu Pubertät oder Scheidung sowie Online-Beratung. Seit 2021 zählt eine Fachkraft zur Beratung bei sexualisierter Gewalt zum Team.

Der Psychologe und Psychotherapeut Thomas Dobbek leitet das multiprofessionelle Fachkräfteteam mit zwölf Teammitgliedern. Die Evangelische Beratungsstelle ist eine Einrichtung für die Region und macht Angebote in Bonn, Euskirchen, Siegburg und in zwei Bonner Schulen sowie zahlreichen Familienzentren. Sie wird von den drei evangelischen Kirchenkreisen An Sieg und Rhein, Bad Godesberg-Voreifel und Bonn getragen und finanziert.

Die Beratung ist für Ratsuchende kostenfrei. Eine teilweise Refinanzierung erfolgt über Zuschüsse der zuständigen Jugendämter und des Landes Nordrhein-Westfalen. Zudem sind Spenden von Klientinnen und Klienten zu einem wichtigen Baustein in der Finanzierung des Angebots geworden.

(Nov. 2022 / Text: Dr. Uta Garbisch / ger)

Weitere Infos und Kontakt zur Beratungsstelle hier

 

  • 13.11.2022
  • Red
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