Evangelische Kirche in Bonn: „Wahlkampf nicht auf Kosten geflüchteter und zugewanderter Menschen führen“ – Superintendent Pistorius schreibt an die Politik

Die evangelische Kirche in Bonn ruft alle politischen Parteien dazu, den Wahlkampf „nicht auf Kosten geflüchteter und zugewanderter Menschen zu führen, sondern die Probleme differenziert zu benennen und Lösungen vorzuschlagen“. Es könne nicht darum gehen, „den kurzfristigen Erfolg bei einer Wahl mit einem langfristigen gesellschaftlichen Schaden einzukaufen“, schreibt der Bonner Superintendent Dietmar Pistorius in diesen Tagen an alle Abgeordneten, Kandidatinnen und Kandidaten aus Bonn und der Region für Bundestag, Landtag und die kommunalen Parlamente.

Ein kleiner Aufkleber mit aktueller Botschaft und dem Impuls: Schranken setzen, wo Menschen die Menschenwürde abgesprochen wird (Foto: J. Gerhardt)

Mit dieser Art der Diskussion werde auch „die wertvolle Arbeit vieler Haupt- und Ehrenamtlicher in der Flucht- und Migrationsarbeit diskreditiert und setze sie zunehmend unter Druck“, warnt Superintendent Pistorius. Er habe gerade „große Sorge“ um die Mitarbeitenden und die Einrichtungen der Geflüchteten- und Migrationsarbeit sowie der Integrationsagenturen.

Zugleich bekräftigt Pistorius die Bedeutung des Kirchenasyls in besonderen Härtefällen. Die evangelische Kirche gehe mit dem Kirchenasyl „sehr sorgsam und in gutem Kontakt mit den Behörden“ um, betont er. Im Kirchenkreis Bonn seien bislang alle durchgeführten Kirchenasyle erfolgreich verlaufen.

Ausdrücklich bittet der Bonner Superintendent zudem, die Situation zum Christentum Konvertierter aus dem Iran zu berücksichtigen. Diese Menschen seien im Iran mit schwersten Repressionen bis hin zur Todesstrafe bedroht. In Bonn gibt es in der Kreuzkirchengemeinde in der Innenstadt eine große Gruppe von iranischen Christen. Ihre Taufe werde von den Gerichten nicht als Konversion anerkannt, sondern einer eigenen Prüfung unterzogen. Das sei ein „höchst fragwürdiges Vorgehen und eine schwere Belastung des Verhältnisses von Staat und Kirche“, erklärt Pistorius.

Die Kreissynode Bonn hatte auf ihrer Tagung im November mit großer Mehrheit eine Erklärung zu diesem Thema verabschiedet vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Erfahrungen der Evangelischen Kirche in Bonn in der Arbeit mit Geflüchteten, Asylsuchenden und anderen Menschen, die zugewandert sind. Darin verwahrt sich das evangelische Kirchenparlament „ausdrücklich gegen pauschalisierende und herabwürdigende Parolen“ und appelliert an die Politik, Geflüchtete, Asylsuchende und Menschen mit Migrationshintergrund „nicht zu verunglimpfen und unter Generalverdacht zu stellen“.

(17.12.2024 / ger)

Der Beschluss der Kreissynode Bonn im Wortlaut:

 Beschluss der Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreise Bonn

Der mutmaßlich terroristische Mordanschlag von Solingen hat eine wichtige öffentliche Debatte über innere Sicherheit ausgelöst. Allerdings wird diese zunehmend verallgemeinernd und polarisierend geführt. Das betrifft die Gesellschaft als Ganzes, aber auch große Teile der Berichterstattung in den Medien und Äußerungen von Politikerinnen und Politikern vieler Parteien. Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund werden verunglimpft und unter Generalverdacht gestellt. Dabei wird das Vokabular rechter Gruppierungen oft ungefiltert übernommen.

 Die Kreissynode Bonn verwahrt sich ausdrücklich gegen pauschalisierende und herabwürdigende Parolen. 

 Die Kreissynode besteht auf dem individuellen Recht auf Asyl und auf der Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen.

 Die Kreissynode erinnert an die vielen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte in Bonn, die das Stadtleben bereichern und den kulturellen Horizont erweitern.

 Die Kreissynode dankt dem Superintendenten und der Oberbürgermeisterin für ihre klaren Worte bei verschiedenen Gelegenheiten und sie begrüßt die Stellungnahmen der Rheinischen Landeskirche und der EKD zu diesem Thema. 

Leider dringen diese oft nicht in die breite Öffentlichkeit. Die Kreissynode bittet daher den Superintendenten, die Verantwortlichen auf allen kirchlichen Ebenen aufzufordern, weiterhin und noch deutlicher und vor allem in den Medien ihre Stimmen zu erheben für eine Versachlichung der Debatte, für eine differenzierte Betrachtung von Problemen, die mit Flucht und Migration einhergehen, und für die Einhaltung der Menschenrechte und Wahrung der Menschenwürde

  • 17.12.2024
  • Red
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