Erstmals tagte die Weltkirchenkonferenz in Deutschland: Ende August bis Anfang September in Karlsruhe. Auch Menschen aus Bonn und Region waren dabei. Hier ein Bericht von Sabine Brinkmann vom Partnerschaftsausschuss des Evangelischen Kirchenkreises Bonn aus der Kirchengemeinde Hardtberg:
11. Vollversammlung des ÖRK – das klingt sperrig, fast zungenbrecherisch. Und trotz der Fahnen, die die seit dem 28. 8. in und vor unseren Kirchen hängen, können sich wahrscheinlich einige Gemeindemitglieder wenig darunter vorstellen: die meisten großen Kirchen der evangelischen Tradition gehören dazu, ebenso Anglikaner, die alt- und christkatholischen sowie die meisten orthodoxen und orientalisch-orthdoxen Kirchen. Sie treffen sich seit 1948 alle 8 Jahre und erarbeiten gemeinsame Ziele, vergewissern sich ihrer gemeinsamen Glaubensgrundlage und erfahren ihre Verschiedenheit nicht als verstörend, sondern als bereichernd oder zumindest als anregend.
Neue Aspekte und Perspektiven
Eine kleine Gruppe aus Bonn, hauptsächlich Mitglieder des Ausschusses für Partnerschaft und weltweite Ökumene, hat sich auf den Weg nach Karlsruhe gemacht und zwei Tage lang die inspirierenden Veranstaltungen und die lebendige Atmosphäre in dieser gastfreundlichen Stadt auf sich wirken lassen. Schon am Bahnhof von freundlichen Ehrenamtlichen empfangen und mit Stadtplänen und Programmheften versorgt, konnten wir gleich im Gemeindesaal von St. Stephan die Plenumsveranstaltung per Lifestream verfolgen: ein sogenanntes Talanoa begann, eine Gesprächsrunde, in der, von einer Person moderiert, die Teilnehmer nacheinander ihre Gedanken vortragen. Drei Fragen (hier zur Klimagerechtigkeit) wurden von der Moderatorin gestellt, auf die jeder der sechs Teilnehmer – Mitglieder aus besonders betroffenen Regionen und Vertreterinnen indigener Völker – ausführlich antwortete, es gab keine direkte Diskussion. Wir erfuhren, wie gut es ist, sich aufs Zuhören einzulassen, wie im Verlauf dieses Talanoa ein indirekter Austausch stattfindet, in dem sich die unterschiedlichen Aspekte und Perspektiven zu einem Muster verbinden, gewissermaßen einen vielstimmigen gemeinsamen Chor bilden. Immer noch hallt der Schlussappell der jungen Inderin nach: Keine Bücher, keine Studien, keine Analysen mehr. Wir wissen, was wir tun müssen: endlich handeln!
Der weltweite Blick
Wir Gäste konnten aus dem reichhaltigen Programmangebot auswählen, an unterschiedlichsten Workshops und Vorträgen zu einer Fülle von Themen teilnehmen: zu neuen Formen des Wirtschaftens, zur Verkehrswende, zum Umgang mit Verletzungen und Traumata, zum latenten Rassismus in der Kirche, zum Umgang mit Missbrauch, zur Sicherheits- und Friedenspolitik…. Dabei war immer die ganze Welt im Blick: was, z.B., tut sich in Indien, in Indonesien, Südamerika, im Pazifik? Unser doch in der Regel sehr eurozentrischer Blick wurde geweitet. Wie engagiert z.B. seit 40 Jahren die südindische Kirche auf umweltbewusstes Handeln besonders in der Ausbildung von Kindern in ihren Schulen und Colleges setzt! Die sehr selbstbewussten Kinder und Jugendlichen verstehen sich als Botschafter für eine gesündere Umwelt und wirken auf ihre Umgebung. Davon können wir hier lernen! Inspirierend zu sehen, wie das Zusammenspiel von Wissenschaft, religiösem Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Schöpfung und Gemeinschaftssinn für eine gelingende Verkehrswende genutzt werden kann. Überzeugend Bischof Bedford-Strohm, der in einem Vortrag zur Seenotrettung deutlich machte, dass Kirche von ihrem Auftrag her politisch sein muss, wenn Menschenrechte missachtet werden.
Kurz, es gab eine Fülle von Denkanstößen. Die Reise hat allen Teilnehmern einen ungeheuren Motivationsschub gegeben. Sie hat mich stolz und demütig zugleich gemacht: stolz auf die evangelische Kirche (besonders die Landeskirche Baden), die eine so großartige Gastgeberin war und neben dem thematischen auch für ein wunderbares musikalisches Programm gesorgt hat, demütig, weil wir erlebt haben, wie beseelt, wie inspirierend und weitsichtig unsere Glaubensgeschwister gerade in den sogenannten Entwicklungsländern sind.
Das gemeinsame, gestreamte Morgengebet, bei dem wir zusammen mit anderen Gästen mitsingen und mitsprechen konnten, ließ uns das Motto der Vollversammlung spüren: Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt.
(Text: Sabine Brinkmann / 21.09.2022)