Wort zum Sonntag: Osterzeichen setzen

Das Osterfest 2022 steht im Zeichen des Krieges. Längst sind auch Menschen aus der Ukraine in meiner Gemeinde angekommen. Zumeist Frauen und Kinder, die wir betreuen und denen wir versuchen, eine Perspektive und ein Lebenswertgefühl zu vermitteln. Die Bilder und Nachrichten verstören, die Schicksale berühren und machen einen zugleich so fassungslos. Wie hilflos sind wir in diesen Tagen!

Die Evangelien in der Bibel erzählen von der Leidensgeschichte Jesu, die Karfreitag am Kreuz endet und Ostern mit der Auferstehung eine kaum zu glaubende Wendung nimmt, für alle damals Beteiligten wie Beobachter. Kann man auf eine solche Geschichte und Wendung auch in diesen Tagen hoffen? Ich weiß es nicht. Ich wage es nicht zu sagen.

Wir werden im Gottesdienst an Karfreitag den Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ aus der Matthäuspassion anstimmen. Johann Sebastian Bach hat sich bei seinen wunderbaren Vertonungen der Passionsgeschichte vom Opernstil seiner Zeit inspirieren lassen. Vielleicht ein Grund, warum diese Werke bis heute so anrührend populär sind. Aber anders als in der Oper wollte Bach nicht unterhalten. Er wollte die Menschen bewegen, Jesus nachzufolgen. Seine Musik sollte nicht Ablenkung schenken von der Welt, sondern Kraft spenden für die Welt.

Auch ein kleines, persönliches Zeichen des Friedens: ein Kinder bastelt eine Friedenstaube auf dem X-tra Platz vor der Bonner Kreuzkirche (Foto: J. Gerhardt)

Diese Kraft wünsche ich mir auch heute. Und darum ist das Osterfest dieses Jahr besonders wichtig. Jesus nachfolgen heißt Kerzen anzünden und beten für alle, die mit ihrem „Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn“ unter Krieg und Gewalt leiden. Jesus nachfolgen heißt Flüchtlingen bei uns helfen und Menschen aufnehmen. Das bedeutet, Zeichen zu setzen für Versöhnung und für das Leben. Es sind Osterzeichen.
Joachim Gerhardt

Geistlicher Impuls

Kölnische/Bonner Rundschau

Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Bonner Lutherkirche und Pressesprecher des Kirchenkreises Bonn, schreibt alle drei Wochen das „Wort zum Sonntag“ in der Gesamtausgabe der Kölnischen/Bonner Rundschau, auf Seite 4 in der der großen Tageszeitung in der Köln-/Bonner Region. Hier erfahren Sie mehr: www.rundschau-online.de

Text erscheint am 9.4.2022