WO STEHEN WIR? – GESELLSCHAFTLICHE UND INNERKIRCHLICHE PERSPEKTIVEN

Trans* in Deutschland

Auch wenn Trans*menschen in unserer Gesellschaft sichtbarer werden und die Akzeptanz gegenüber Trans*Personen grundsätzlich wächst, sind sie nach wie vor überdurchschnittlich von Diskriminierung und Gewalterfahrungen betroffen.

Das Selbstbestimmungsgesetz, das zum 1. November 2024 in Deutschland in Kraft getreten ist, hat die rechtliche Situation verbessert. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen können ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern lassen und damit selbst über die eigene Identität bestimmen und Auskunft geben.

Transgeschlechtlichkeit gehört auch zum Menschsein (Foto pixabay)
Trans* und Kirche

Auch in den Kirchen werden transgeschlechtliche Menschen sichtbarer: https://gender.ekir.de/

Das gestiegene Bewusstsein für geschlechtliche Vielfalt verändert unser kirchliches Handeln. Kirche will für die queere Community Heimat und Schutzraum sein. Unsere Gottesdienste, unsere seelsorgerliche Begleitung, unser Gemeindeleben – brauchen mehr Sensibilität für die Bedürfnisse von queeren Menschen.

Die Evangelische Kirche im Rheinland bekennt sich zu ihrer Verantwortung für begangenes Unrecht gegenüber LGBTQIA+ Menschen. Mit einem im Februar 2025 gefassten Beschluss betont die Landessynode die biblische Grundlage für Vielfalt und verpflichtet sich, Gewalt gegen queere Menschen aktiv zu bekämpfen. [1]

Die Transition ist ein biographisch einzigartiger und als befreiend empfundener Übergang. Menschen auf dem Weg einer Transition brauchen Segen und wollen ein Segen sein. Sie sind Menschen, die empfangen und die zu geben haben.

Wir nehmen das Selbstbestimmungsgesetz zum Anlass, um mit ihnen zu feiern.

Wir feiern Gottes „Ja“ und sprechen ihnen Gottes Segen zu.

Wir wünschen uns, dass queere Vielfalt unser Kirche lebendig macht und verändert.

Biblische Regenbogenfarben: Gelebte Vielfalt macht das Leben bunter (Foto: Canva)

WAS GLAUBEN WIR? – THEOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF EINE NEUE KASUALIE

Segen/Taufe/Tauferinnerung

Die Praxis des Segens ist fest im Christentum verankert. Segen kann als Zuspruch Gottes verstanden werden. Menschen erfahren diesen Zuspruch, wenn sie hören: Du bist gesegnet. Der Segen hängt dabei nicht an der Person des:der Segnenden. Wenn ich Segen empfange, begebe ich mich in eine Haltung, in der ich ahne, dass der Segen nicht an mir noch an der Person hängt, die Segen zuspricht.

„Ich will dich segnen und sollst ein Segen sein.“ (Genesis 12,2)

Auch in der Taufe wird der Segen Gottes zugesprochen. Dieser Zuspruch in der Taufe ist in den meisten christlichen Traditionen ewig gültig: Ich muss nichts dafür tun, um diesen Segen zu empfangen – und auch wenn andere mir die Würde absprechen, die Taufe im Namen Gottes bleibt. Deswegen kann die Taufe, auch kirchenrechtlich, nicht wiederholt werden.

Es gibt eine lange Praxis in den christlichen Traditionen, immer wieder an die Taufe zu erinnern: Mit dem Segen für trans*idente Menschen setzten wir auch diese Tradition fort – und ermöglichen es den neuen Namen, die eigene Identität mit dem Zuspruch in der Taufe zu verbinden.

Für trans*idente Menschen kann es ein echtes Problem sein, dass sie in der Taufhandlung mit einem anderen Namen und einer anderen Geschlechtsidentität angeredet wurden, als diejenige, die sie heute haben.

Deshalb kann die Vorstellung hilfreich sein, dass Gott den eigentlichen Namen, die eigentliche Identität schon kennt, bevor man selbst oder andere diesen gekannt haben.

„Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, Du bist mein.“ (Jesaja 43,1b)

Identität

In den biblischen Texten gibt es viele Erzählungen von Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind. Einige finden sich selbst – überraschend, unerwartet, unverfügbar. Einige bleiben neugierig und offen auf dem Weg – in dem Vertrauen darauf, dass sie auf diesem Weg begleitet werden.

Identität kann im christlichen Verständnis als immer offen und unabgeschlossen verstanden werden: Ich verstehe mich und meine eigene Lebenserzählung als Teil der Geschichte Gottes, die nie verfügbar oder beendet sein kann und für die gilt:

„Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Freude.“ (Markus 1, 11b)

Wichtige Stationen des Lebensweges werden durch Segenshandlungen begleitet – den sogenannten Kasualien: Traditionell geschieht diese Begleitung bei der Taufe, bei der Konfirmation oder Firmung, anlässlich von Hochzeiten und schließlich bei der Trauerfeier. Dazu kommen neue Kasualien, in denen Menschen diese Begleitung im Suchen und Finden ihrer Identität zugesprochen wird (Segen zur Einschulung, Segen zum Ruhestand, etc.). Als Teil dieser neuen Kasualien versteht sich auch der Segen für trans*idente Menschen. Mögliche Segenssprüche für einen Segen zur Transition finden sich weiter unten.

Schöpfung

Gott hat die Welt geschaffen: Wir erzählen von der Schöpfung und davon, dass wir uns nicht selbst gemacht haben, sondern in vielfältigen Beziehungen stehen, in denen wir auf andere angewiesen sind – und andere auf uns.

In der Bibel finden wir viele Vorstellungen davon, dass Gottes Schöpfung immer schon mehr ist: Mehr als unsere binären Kategorien, mehr als nur männlich, nur weiblich, mehr als schon festgelegt (vgl. Gen 1). Die Schöpfung ist nicht abgeschlossen, sondern immer schon im Werden.

Wir können glauben: Gottes Schöpfung ist bunt und vielfältig. Gott sieht alle Menschen an, so wie sie sind – trans*ident, nicht-binär, queer und nicht-queer – und sagt zu Ihnen: „Siehe, sehr gut.“ (Gen 1,31b)

 

TRANSITIONSSPRÜCHE

Als „Transitionssprüche“ (analog zu den Tauf-, Konfirmations-und Trausprüchen) eignen sich nach unserer Ansicht folgende Sprüche:

  • Genesis 26,24b: So spricht der Herr: Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir und will dich segnen.
    Psalm 23,1-2: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
    Psalm 36,6: Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
    Psalm 91,11: Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.
    Psalm 103,8: Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.
    Psalm 104,30: Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die Gestalt der Erde.
    Psalm 121,7: Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele.
    Prediger 1,10: Geschieht etwas, von dem man sagen könnte: „Sieh, das ist neu?“ Es ist längst vorher auch geschehen in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.
    Jesaja 41,13: Ich bin der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, ich helfe dir!
    Jesaja 43,1-4: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! → Verweis auf Schriftlesung
    Klagelieder 3,22-23: Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.
    Matthäus 28,20b: Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
    Lukas 10,20b: Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.
    Römer 15,13: Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
    Kolosser 1,16: Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist; […] es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
    Kolosser 3,9-10: Ihr habt […] den neuen [Menschen] angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat.
    1. Timotheus 4,4: Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.
    2. Timotheus 1,7: Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, die Liebe und der Besonnenheit.

HILFREICHE LITERATUR

https://www.bmfsfj.de/resource/blob/114152/befae36ba9e306d97c839eeddd3c55ff/reformation-fuer-alle—transidentitaet—transsexualitaet-und-kirche-data.pdf

https://cms.ekhn.de/fileadmin/redaktion/downloads/pdfs_dokumente/queer/EKHN_Transsexualitaet_3Aufl_2019_web.pdf

https://cms.ekhn.de/fileadmin/redaktion/downloads/pdfs_dokumente/queer/Segen_sein._Liturgien_zur_Transition_EKHN_Zentrum_Verkündigung_9.9.2020.pdf

https://quikt.de/wp-content/uploads/2024/08/Agende-_Ein-Segen-fuer-TransMenschen_Handbuch-2018.pdf

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[1] https://landessynode.ekir.de/beitrag/rheinische-kirche-verurteilt-gewalt-gegen-queere-menschen/

(02-2025 / Text: Dr. Anne Kathrin Quaas)