Wort zum Sonntag: Kompass des Glaubens

Sie ist Geschichte – und doch so aktuell. Ende Mai vor 90 Jahren trat in Wuppertal-Barmen die Bekenntnissynode der evangelischen Kirche zusammen. Eine Art Notversammlung gegen die Gleichschaltung der Kirche durch die Nazis, gegen den „Führereid“ für alle Pfarrer und der Vorstellung, Gottes Liebe an Rasse, Nation und Blut zu binden.

Zusammen halten: Pfarrer Joachim Gerhardt moderierte die große Bonner Demo für Demokratie und Menschenrechte Anfang 2024 vor dem Rathaus (Foto: Meike Böschemeyer)

Mutige Frauen und Männer bekannten sich zu den Grundlagen ihres Glaubens: allein Jesus Christus und die Bibel, kein Führer, kein Volk, kein Nationalismus. Und der Staat hat die Aufgabe, das Zusammenleben der Menschen in der noch unerlösten Welt friedlich und gerecht zu gestalten. Mit Unterstützung der Christen.

Insgesamt sechs knackige Thesen sind Herzstück dieser „Barmer Theologischen Erklärung“. Sie zählt zu den herausragenden Ereignissen des Protestantismus im 20. Jahrhundert und ist weltweit Bestandteil vieler Kirchenordnungen geworden. Die Erklärung hat der damals kleinen Schar der bekennenden Christen gegen die Mehrheit der sogenannten „Deutschen Christen“ einen Kompass, Haltung und viel inneren Zusammenhalt gegeben.

Die meisten Vertreter auf der Synode kamen aus dem eher konservativen Umfeld. Kirche ist eigentlich nicht politisch. Das war ihre Grundhaltung aus der Sorge heraus, dass Kirche, wenn sie politisch zu sehr aktiv ist, allzu schnell parteipolitisch wird.

Doch es gibt den Punkt, da waren sich alle einig, da dürfen Christen nicht schweigen. Dann ist eine Kirche, die sich in der Nachfolge von Christus für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzt, immer politisch und muss das auch öffentlich bekennen. 90 Jahre später, die Europawahl vor Augen, ist die Barmer Erklärung ein guter Kompass für uns heute.
Joachim Gerhardt

Kölnische/Bonner Rundschau

 

Geistlicher Impuls

Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Bonner Lutherkirche und Pressesprecher des Kirchenkreises Bonn, schreibt alle drei Wochen das „Wort zum Sonntag“ in der Gesamtausgabe der Kölnischen/Bonner Rundschau, auf Seite 4 in der der großen Tageszeitung in der Köln-/Bonner Region. Hier erfahren Sie mehr: www.rundschau-online.de

(Text erscheint am 25.05.2024)