Wir sehen die Bilder und Videos der Zusammengeschlagenen, die Schüsse der Staatsgewalt. Einmal mehr erleben wir ohnmächtig, wie eine Regierung die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger niederknüppelt, zu ersticken versucht, unsagbar viel Elend und Tod verursacht.
Wir haben eine Gruppe iranischer Christinnen und Christen in unserer Stadt. Sie haben uns gebeten, miteinander zu beten. Wir versammeln uns öffentlich vor unserer Kirche und lesen Psalm 2 aus der Bibel, ein uralter Text, 2.500 Jahre vielleicht. Er handelt vom „Toben der Völker und dem Murren der Nationen“ und von den Mächtigen der Welt, den „Königen der Erde“, die sich verschließen gegen die Menschen, ihre Nöte und Bedürfnisse, und die tödliche „Bande und Stricke“ auswerfen.
Wie aktuell klingen diese alten Verse. Ein bedrückendes Gebet gegen Machtmissbrauch und eine Anklage aller, die eigentlich dafür da sind, das Zusammenleben der Menschen zu sichern und stärken – und am Ende doch immer nur den Erhalt eigener Macht im Sinn haben. Im Iran wie überall auf der Welt. In diesen Monaten auch die Klage über den russischen Kriegsterror in der Ukraine.
„Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer“ heißt es. Die Tyrannen der Welt werden der Lächerlichkeit preisgegeben, in ihrer Dürftigkeit entlarvt. Gott lacht über sie! Was für eine Botschaft gerade dann, wenn sich diese Herrschenden auch noch selbst auf Gott berufen.
Die Bibelverse sind Mutmachworte nicht aufzuhören mit der Sehnsucht, dass sich Frieden, Recht und Gerechtigkeit für alle Menschen durchsetzen. Ein Mutmachwort hineingesprochen in das Schreien der Inhaftierten, das Weinen über die Todesopfer.
Gott ist ein Gott des Lebens und er sieht, was passiert, und keiner wird übersehen. Das ist die Zusage. Die Macht des Unrechts wird nie auf ewig herrschen. Und die Menschen, die bewusst Leid verursachen, werden sich verantworten müssen. Ein frommer Wunsch. In diesem Augenblick gibt er uns viel Kraft. Wir werden uns wieder versammeln und weiter beten.
Joachim Gerhardt
Weitere Infos zum Gebet für die Menschen im Iran findest Du hier.
Geistlicher Impuls
Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Bonner Lutherkirche und Pressesprecher des Kirchenkreises Bonn, schreibt alle drei Wochen das „Wort zum Sonntag“ in der Gesamtausgabe der Kölnischen/Bonner Rundschau, auf Seite 4 in der der großen Tageszeitung in der Köln-/Bonner Region. Hier erfahren Sie mehr: www.rundschau-online.de
Text veröffentlicht:15.10.2022