Mehr als 90 Prozent der Dinge, die wir über den Tag tun, machen wir unbewusst. Das sagen Studien über das Verhalten eines westlich geprägten erwachsenen Menschen. Wie auf Autopilot, wie eine Maschine spulen wir weite Teile unseres Lebens ab. Vom Aufstehen und Zähneputzen bis zum Schlafengehen, Ausziehen und Wecker stellen.

Das Handy hat diese Quote sicher noch einmal erhöht. Permanent reagieren wir auf alles, was außen geschieht. Ist das gut? Oder lebe ich ein Leben getrieben von äußeren Einflüssen und ohne Tiefgang? Auf Dauer ist das auf jeden Fall sehr anstrengend.
„Stress macht alt. Es gibt die Theorie: Je bewusster wir leben, umso langsamer altern wir. Sie stammt von der Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn, einer Molekularbiologin, die darüber forscht, was unserer Zellerneuerung zuträglich ist und was nicht. Spannend.
Wie passend dazu klingt für mich das Jesuswort: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Matthäus 18,3). Ein Loblied, den Augenblick bewusst zu genießen, und auf das kindliche Vertrauen auf Gott. Und eine Warnung, sich nicht in oberflächlichem Aktivismus zu verlieren und dabei auch noch zu meinen, dem Leben damit nachhaltig Sinn geben zu können.
Die stillen Tage im November von Allerheiligen bis Totensonntag sind ein guter Anlass, mehr innere Ruhe einkehren zu lassen. Es ist ein Menschheitstraum länger zu leben. Vielleicht ist es viel verheißungsvoller, erst einmal zu lernen, wieder bewusster zu leben – so segensreich wie ein Kind.
Joachim Gerhardt
Geistlicher Impuls

Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Bonner Lutherkirche und Pressepfarrer des Kirchenkreises Bonn, schreibt alle drei Wochen das „Wort zum Sonntag“ in der Gesamtausgabe der Kölnischen/Bonner Rundschau, auf Seite 4 in der der großen Tageszeitung in der Köln-/Bonner Region. Hier erfahren Sie mehr: www.rundschau-online.de
(Text erscheint am 01.11.2025)
