In ihrer Predigt in der Bonner Reformationsfeier vor 1200 Menschen in der voll besetzen Kreuzkirche rief Präses Annette Kurschus dazu auf, nicht müde zu werden, für den Frieden zu beten.
„So schmerzlich es ist: Wir müssen aushalten, nicht zu wissen, wie Friede werden soll“, so Annette Kurschus. „Wir müssen aushalten, nicht zu wissen, was richtig ist und was falsch. Auf so viele drängende Fragen haben wir keine eindeutigen Antworten. Auch und gerade in der Spur Jesu nicht. Auch und gerade dann nicht, wenn wir uns auf Jesus berufen und mit allem Ernst danach fragen: Was würde er dazu sagen?“
Ausdrücklich macht die ranghöchste evangelische Protestantin in Deutschland Mut zum Gotteslob, gerade um den zerstörerischen Mächten der Welt ihre Macht zu nehmen. „Dürfen wir hier in der Bonner Kreuzkirche Loblieder singen und jubelnd musizieren, während gleichzeitig woanders Sirenen heulen und Raketen fliegen, während Menschen Tag und Nacht in furchtbarer Angst und unvorstellbarer Not leben oder auf der Flucht vor dem Elend ihr Leben verlieren? fragt Präses Annette Kurschus und macht dann deutlich: „Die Gesellschaft ist nicht nur angewiesen auf unsere diakonischen Dienste, sie braucht nicht nur unsere sozialen Einrichtungen und Kindergärten. Die Welt braucht uns, weil wir Gott loben. Sie braucht die Kraft und den Glanz, die durch das Lob Gottes ins Leben kommen. Den Überschuss an Hoffnung und Gewissheit, der im Gotteslob schwingt und unser Tun beflügelt, bringt niemand in die Welt, wenn wir´s nicht tun.“
Dankbar erinnert Kurschus dabei daran, wie sehr christlicher Glaube und Theologie aus jüdischer Überlieferung und Gebetserfahrung schöpfen und stellt sich an die Seite der Jüdischen Gemeinde, die mit ihrer Bonner Vorsitzenden Margaret Traub Gast der Reformationsfeier ist. (Die Predigt zum Nachlesen hier: Predigt_Reformationstag2023_Kreuzkirche Bonn
„Hevenu schalom alechem“
Schalom, Frieden für alle Menschen und besonders für die, die unter Krieg, Gewalt und Terror leiden. In diesem Geist der Hoffnung schließt die Bonner Reformationsfeier vor dem Segen mit einem sehr berührenden interreligiösen „Friedensgebet für die Stadt und die Welt“, gehalten von Margaret Traub, Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken und Superintendent Dietmar Pistorius. „Hevenu schalom alechem“, zu deutsch „Wir bringen Frieden für alle“ – am liebsten hätten wohl viele mit Margaret Traub und ihrem Schlusswort in dieses hebräische Friedenslied eingestimmt. Hier das Gebet im Wortlaut: Friedensgebet für Stadt und die Welt
Bach-Kantate zum Mitsingen für alle
„Lobe den Herren“ war das Motto des Gottesdienstes. Johann Sebastian Bach schrieb den Satz auf Latein „Soli Deo gloria“ (Gott allein die Ehre) unter fast jedes seiner Werke. Passend dazu erklang im Reformationsgottesdienst die Bach-Kantate 137 „Lobe den Herren“ und zum Abschluss zur Einladung, wenn auch in hoher Tonlage zum Mitsingen für die ganze Gemeinde. Jede und jeder war gefragt, was seiner Seele gerade Kraft und Hoffnung gibt in dieser wirren und irren Zeit? Gemeinschaft, Familie, das Gebet, eine brennende Kerze, Musik …
Musikalisch gestalteten den Festgottesdienst einmal mehr wunderbar die Kantorei, Solisten Theresa Nelles (Sopran), Henning Jendritza (Tenor), Knut Scholz (Alt) und Andreas Petermeier (Bass) sowie BONNBAROCK, das Barockorchester der Kreuzkirche, alle unter Leitung von Karin Freist-Wissing, sowie Stefan Horz an der Orgel. Louise Buhl, Schauspielerin vom Jungen Theater Bonn intonierte sehr berührend ein Psalmgebet.
Mit Jahresempfang für die Stadtgesellschaft mit viel Prominenz aus Bonn und der Region
Bläser aus der Kreuzkirche, Lutherkirche und dem ganzen Kirchenkreis Bonn, dieses Jahr unter Leitung von Felix Waidelich, begrüßten die Besucher zum Eingang festlich vor der Kirche. Wie jedes Jahr mündete die Feier im Anschluss an den Gottesdienst in einen öffentlichen Empfang der evangelischen Kirche für die Stadtgesellschaft, dieses Jahr wieder mit Musik durch den Beueler Kantor Hubert Arnold am Akkordeon. Bis in die späten Abendstunden blieben viele Gottesdienstbesucherinnen und -besucher in der Kreuzkirche herzlich bewirtet vom Team Kirchenpavillon. Unter ihnen viel Prominenz aus Stadt und Region: u.a. Bonns OB Katja Dörner, Polizeipräsident Frank Hoever, IHK-Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille, Malte Boecker, Direktor des Beethovenhauses, und Schauspiel-Intendant Bernhard Helmich, MdB Katrin Uhlig, die Landtagsabgeordneten Tim Achtermeier, Christos Katzidis, Julia Höller und Oliver Krauß sowie der Europaabgeordneter Axel Voss. Und aus der Ökumene die Vorsitzende der Bonner ACK Esther Runkel, Caritas Direktor Jean-Pierre Schneider. Erstmals dabei auch der neue Diakonie-Geschäftsführer Tobias Köhler und neue Leiter des Evangelischen Jugendwerks Sieg-Rhein-Bonn Marco Herrlich.
Live und zum Nachschauen im Internet: https://youtube.com/live/jkOKM3iYKDQ?feature=share
Den Festgottesdienst wurde live im Internet übertragen. Sie können ihn gerne auch jetzt noch sehen unter dem Link: https://youtube.com/live/jkOKM3iYKDQ?feature=share
Das aktuelle Stichwort: Reformationstag 2023
Am Reformationstag erinnern weltweit protestantischen Kirchen an den Beginn der Reformation durch Martin Luther vor mehr als 500 Jahren. Am 31. Oktober 1517 soll der Reformator seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Schlosskirche in Wittenberg. Ein Tag, der jedes Jahr neu, die Reformbedürftigkeit der Kirche bedenkt und Kraft schenken will zum Glauben und für Veränderungen.
In Bonn und der Region zogen schon früh die Gedanken des Wittenberger Reformators ein. Das historische Schlüsseljahr ist 1542, als der Kölner Erzbischof, Kurfürst Hermann von Wied, auf die Seite der Reformation wechselte. Er berief den Straßburger Reformator Martin Bucer und wenig später auch den engsten Weggefährten Luthers, Philipp Melanchthon, aus Wittenberg nach Bonn. In Buschhoven, vor den Toren der Stadt, erarbeiteten die beiden Theologen auf Bitte des Kurfürsten unter dem Titel „Einfältiges Bedenken“ die Programmschrift der Kölner Reformation.
Philipp Melanchthon blieb drei Monate, Martin Bucer sogar ein dreiviertel Jahr am Rhein. In dieser Zeit predigte Bucer im Bonner Münster und hielt theologische Vorlesungen im Bonner Franziskanerkloster in der Brüdergasse.
Bis zum Einsetzen der Gegenreformation und der Absetzung des Kurfürsten Hermann von Wied 1547 bestand in Bonn eine evangelische Gemeinde mit mehreren Pfarrern. Die Gemeinde musste in den Untergrund gehen. Die älteste nicht auf kurkölschem Gebiet liegende und daher nahezu ununterbrochen lebendige evangelische Gemeinde im Bonner Raum ist die Kirchengemeinde Oberkassel. Hier findet sich auch die älteste evangelische Kirche im heutigen Bonn, die kleine gelb gestrichene Kapelle im Zentrum Oberkassels direkt an der alten B 42 aus dem Jahr 1683.
Die ältesten protestantischen Kirchen unserer Region finden sich im rechtsrheinischen bergischen Bereich, wo sich evangelisches Leben seit der Reformation in weiten Teilen auch öffentlich halten und entwickeln konnte.
Heute ist fast jeder fünfte Bonner Bürger evangelisch. Damit ist Bonn eine der protestantischsten Städte im katholischen Rheinland. In der Region liegt der Anteil der evangelischen Bevölkerung im Schnitt zumeist etwas darunter, im Bergischen Bereich an der Sieg und gen Westerwald von Dorf zu Dorf unterschiedlich auch darüber.
Die ältesten evangelischen Kirchen in der Region:
St. Bartholomäuskirche Wahlscheid (11. Jhdt.) ab 1557 evangelisch
Kircheib (von 1200) seid dem 16. Jhdt. evangelisch
Evangelische Kirche Leuscheid (1131 erstmals erwähnt) ab 1672 evangelisch
Evangelische Kirche Ruppichteroth 1683
Alte evangelische Kirche Oberkassel 1683
Evangelische Kirche Remagen 1684
Evangelische Kirche Oberwinter 1723
Evangelische Kirche Flamersheim 1775
Schlosskirche in der Universität Bonn wird evangelisch 1817
Rigal´sche Kapelle Bad Godesberg 1858
Alte Evangelische Kirche Bornheim 1866
Christuskirche Königswinter 1864
Kreuzkirche am Kaiserplatz Bonn-Zentrum 1871
Evangelische Kirche Herchen 1879
Erlöserkirche Bad Godesberg 1880
Evangelische Kirche Beuel 1894
Evangelische Kirche Euskirchen 1895
Asbach Evangelische Kirche 1869
Johanneskirche Troisdorf 1903
Lutherkirche Bonner Südstadt 1904
(zuletzt aktualisiert: 31.10.2023 / Joachim Gerhardt)